Junge Lernerin testet das selbstgesteuerte Lernen
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Selbstgesteuertes Lernen im Netflix-Stil

Was Netflix mit selbstgesteuertem Lernen zu tun hat

Wie self-directed learning in Unternehmen eingesetzt werden kann, was das bringt und wo die Grenzen liegen

Junge Lernerin testet das selbstgesteuerte Lernen mit der Fernbedienung

Selbstgesteuertes Lernen: Kaum ein Thema wird bei L&D Verantwortlichen gerade so heiß diskutiert, wie die Frage, wie man Mitarbeiter*innen mehr Flexibilität beim Lernen geben kann. Denn der Trend in vielen Unternehmen geht weg vom formalen, hin zum informellen Lernen. Und ist man beim informellen Lernen angekommen, ist auch das Self-directed Learning nicht mehr weit.

 

Denn beim selbstgesteuerten- bzw. selbstbestimmten Lernen geht es kurz gesagt darum, dass Mitarbeitende flexibel entscheiden können, was, wann, wo und wie sie lernen. Doch was in der Theorie gut klingt, erfordert in der Praxis ein hohes Maß an Konzeption, technische Umsetzung und auch Vertrauen in die Mitarbeitenden. Self-directed learning kann, insofern es durchdacht und strategisch implementiert wird, eine sinnvolle Erweiterung des klassischen top-down learnings in Unternehmen darstellen.

 

Das wissen auch Michael Temme von der Mercedes-Benz Group AG und Marion Sander-Feld von imc AG. Die beiden arbeiten daran, neue Komponenten und Funktionen für das selbstbestimmte Lernen direkt ins Learning Management System (LMS) einzubinden. Wir erklären, wozu das gut ist, wo die Grenzen liegen und was Netflix damit zu tun hat.

Entscheidend ist nicht wie viel jemand gelernt hat, sondern was er davon behält
Michael Temme
Manager für Innovationsprojekte
Mercedes-Benz Global Training

Warum eigentlich self-directed learning?

Die Qualifizierung und Weiterbildung von Mitarbeitenden ist in Zeiten des Fachkräftemangels für alle Unternehmen, gleich welcher Größe, ein zentrales Thema. So auch beim Automobilriesen Mercedes-Benz Group AG. Bei der Frage, wie Mitarbeitende lernen sollen, orientiert sich Mercedes an fünf lernerfolgsrelevanten W-Fragen: was, wer, wo, wie und wann.

Außerdem schaut man sich genau an, wie sich face-to-face Trainings im digitalen Raum abbilden lassen. Denn analoge Trainings können nicht eins zu eins ins Digitale übertragen werden, sondern erfordern neue Konzepte. Nur so finden sie auch Akzeptanz bei den Mitarbeitenden.

Miachel Temme, Mercedes Benz

Michael Temme, Manager für Innovationsprojekte bei Mercedes-Benz Global Training

Experte hierfür ist Michael Temme, der als Manager für Innovationsprojekte bei Mercedes-Benz Global Training arbeitet. Für ihn ist klar, dass Lernende in einem Training die Relevanz für ihre Arbeit erkennen bzw. verstehen müssen.

Er sagt: „Wir müssen uns der Realität stellen. Entscheidend ist nicht, wie viel ein Mitarbeiter lernt, sondern was er davon behält. Wir wissen, dass Lerninhalte sich besser verankern, wenn der Lerner das gelernte unmittelbar anwenden kann, und sich selbst für die für ihn passende Lernmethode entscheiden kann. Menschen müssen selbst entscheiden können, was und wann sie wie lernen. Deshalb setzen wir auf self-directed learning Methoden.“

Kein sichtbarer Nutzen = kein nachhaltiges Lernen

Eine große Herausforderung hierbei ist laut Temme allerdings, dass das Lernen in Eigenregie andere Kompetenzen, aber auch ein anderes (digitales) System erfordert. Denn hat ein Trainer alle Kursteileilnehmer in Person vor sich sitzen, kann er gezielt nachfragen, ob der Stoff verstanden wurde, oder bei Bedarf nochmals zusätzliche Details ergänzen bzw. erklären. Im digitalen Raum fehlt diese nachhaltige Komponente. Um dem entgegenzuwirken, setzt Mercedes unter anderem auf den Austausch und die gezielte Vernetzung (Social Collaboration) im Learning Management System.

 

Zugleich erfordert das Lernen in Eigenregie einerseits viel Vertrauen in die Mitarbeitenden, und ein weitaus höheres Maß an selbstgesteuerter Organisation und eine hohe intrinsische Motivation seitens des Mitarbeiters. Diese entsteht allerdings nur dann, wenn Mitarbeitende die Relevanz des Gelernten verstehen und den Nutzen für ihre tägliche Arbeit erkennen. Nur, wenn sie das Gelernte auch zügig in ihrem Arbeitsalltag anwenden und integrieren können, wird es nachhaltig verankert, wie auch die Vergessenskurve nach Ebbinghaus beweist.

INFO

Die Vergessenskurve von Prof. Ebbinghaus zeigt auf, dass man nach 20 Minuten nur noch 60 % des aufgenommenen Textes abrufen kann. Nach 60 Minuten steigt die Vergessenskurve weiter an, sodass die Abrufmenge bei 45 % liegt und nach 24 Stunden nur noch bei 34 %. Dauerhaft bleiben nur ca. 15 % der erlernten Texte gespeichert.

Paradoxon: Mehr Kurse, weniger Outcome

Weiter führt Temme aus, dass gerade während der Pandemie zwar jede Menge digitaler Content erstellt worden ist, viele Lerner aber mit der schieren Menge an Kursen überfordert sind und nicht mehr wissen, was für sie tatsächlich relevant ist. Mehr Kurse führen also nicht unbedingt dazu, dass mehr gelernt oder besser: mehr behalten wird.

 

Deshalb setzt er zunehmend mehr auf einen problembasierten Lernansatz und weniger auf fertige Lerninhalte. Haben Lernende ein konkretes Problem oder eine Fragestellung, können sie beispielsweise mittels geeigneter Social Collaboration Tools schnell und unkompliziert mit Unterstützung weiterer Lerner und/oder Experten an der konkreten Problemlösung arbeiten.

Durch diese gezielte Vernetzung und das Lernen im Bedarfsmoment (Moment of Need) wird das Wissen weitaus nachhaltiger verankert. Aus trägem Wissen wird so Verstehen und in der unmittelbaren Umsetzung konkretes Können.

Netflix Lernen mit Channels

Genau an dieser Stelle kommt ein neues wichtiges Feature ins Spiel, dass die imc AG aktuell gemeinsam mit Mercedes für ihr Learning Management System, die imc Learning Suite entwickelt. Mit den sogenannten „Channels“ soll Lernen so einfach werden wie Netflix schauen oder Spotify hören: Lernende können auswählen, welche Themen sie interessieren bzw. für sie aktuell relevant sind und erhalten passend dazu Vorschläge.

 

Hierbei ist es egal wie ein Thema aufbereitet ist oder welchen Umfang es hat. Von kurzen Learning Nuggets über ausführliche Erklärvideos bis hin zu selbst erstellen Tutorials wird dem Abonnenten alles angezeigt, was zum Thema passt. Der Fokus liegt auf Learning Nuggets, die zur eigenständigen Recherche schnell konsumiert und auch von Fachexpert*innen ohne allzu großen Aufwand erstellt werden können.

 

Diese kurzen Lerneinheiten bieten zusätzlich den Vorteil, dass sie schnell im Moment of Need und „on-the-Job“ konsumiert und dadurch schneller und nachhaltiger verinnerlicht werden. So lassen sich wirksamer Lernerfolge erzielen, als wenn Mitarbeitende Monate im Voraus lernen und das Wissen später abrufen sollen, um es in der Praxis anzuwenden.

imc channels

Gibt es neue Inhalte zu den abonnierten Themen, erhalten Nutzer eine Benachrichtigung. Marion Sander-Feld, Head of Product Management der imc Learning Suite erklärt: „Channels sind themenbasierte Container. Sie werden als Kacheln dargestellt und können unterschiedliche didaktische Learning Nuggets, wie Videos, Links oder PDFs beinhalten.

Es werden also ganz bewusst nicht nur hochprofessionelle und in der Erstellung kostspielige Trainings zur Verfügung gestellt, sondern auch Inhalte, die schnell erstellt werden können, um einen akuten Bedarf bei der Zielgruppe zu decken. Wir möchten mit diesem neuen Feature auch die Learning Experience noch mehr in den Fokus stellen. Denn auch wie schnell und intuitiv sich Mitarbeitende im LMS bewegen, und ihre gesuchten Inhalte finden ist entscheidend für die Nachhaltigkeit des Lernens.“

 

Dadurch, dass nicht nur hochkomplexe WBTs angezeigt werden, sondern in Zukunft alle Nutzer ihre Lerninhalte zur Verfügung stellen können, wird das Wissen bottom-up für alle zugänglich gemacht. Solche user-generated Contents, den alle Fachexpert*innen selbst unkompliziert erstellen können, sind eine sinnvolle Ergänzung, um den Verlust von Wissen zu reduzieren.

Grenzen des selbstbestimmten Lernens

So weit, so gut. Doch wie so vieles ist auch selbstbestimmtes Lernen nicht zwangsläufig die eine und einzige Lösung, die zum Erfolg führt. Denn auch in Zukunft wird es Kurse geben, auf die Mitarbeitende, Pardon, einfach keinen Bock haben. Datenschutz-, Compliance- oder IT-Security-Schulungen seien hier als Beispiele genannt.

 

Doch auch diese Themen müssen nicht nur gelernt, sondern verinnerlicht werden und das gelingt allein über die freiwillige Wahlmöglichkeit nicht. Aber auch bei verpflichtenden Schulungen sollten Kurs- und Themenverantwortlichen die Chance ergreifen und anhand konkreter Beispiele und anhand realitätsnaher Problemstellungen aufzeigen, wie Mitarbeitende beispielsweise helfen können, Cyberattacken zu verhindern.

Und gelingt dies sogar bei eher ungeliebten Kursen, sollte es doch bei selbst ausgesuchten Herzensthemen erst recht funktionieren. Wie Netflix-schauen eben: kinderleicht.

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Ich arbeite seit März 2019 im Marketing & Communication Team der imc. Kommunikation, kreativer Content und Social Media sind meine Leidenschaft.

 

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Nadine Kreutz
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